HOG-Schäßburg / Siebenbürgen

Zur Geschichte der Stadt


Schäßburg, das malerische "Rothenburg" Siebenbürgens, wurde von deutschen Kolonisten gegründet, die der ungarische König Geisa II. (1141 – 1162) als „hospites theutonici Ultrasilvani“ – als teutonische Gäste in das Land jenseits der Wälder – geholt hatte. Die im Goldenen Freibrief des Königs Andreas II. von 1224 verbriefte Selbstverwaltung gestattete es den deutschen Siedlern ihre Führung frei zu wählen. An der Spitze der Stadt stand der Bürgermeister. Ihm waren ein Villicus als Verwalter, der aus 12 Mitgliedern bestehende Stadtrat sowie die Hundertmannschaft zur Seite gestellt. Letztere spielte bei der Festlegung des Stadtbudgets, der Steuern und bei Entscheidungen zu größeren Bauvorhaben der Gemeinde eine wichtige Rolle.

Johann Tröster führt in seinem 1666 in Nürnberg gedruckten Werk „Das alt und neu teutsche Dacia“ als Gründungjahr der Stadt 1191 an, während der Stadtchronist Georgius Kraus in seiner Stundturmchronik (1676) das Jahr 1198 nennt. In der ersten urkundlichen Erwähnung von 1280 wird die Siedlung als "Castrum Sex" bezeichnet und 1298 taucht der Name "Schespurch" auf, wobei „Sches“ abschüssiger Berg bedeutet. 1337 folgt die schriftliche Benennung des Schäßburger Stuhls (Verwaltungseinheit, Komitat) mit „Seguzwar“. 1367 erklärt König Ludwig I. Schäßburg zur freien königlichen Stadt. Der rumänische Name wird 1435 als „Sigisore“ erstmals schriftlich erwähnt.

Wahrscheinlich entwickelten sich Ober- und Unterstadt gleichzeitig, die Oberstadt mit der ersten Kirche auf dem freistehenden 850 m langen Burg- und Schulberg und die Unterstadt entlang des Schaaserbaches an der Südwestseite des Berges. Die Kirche wurde Ende des 13. Jahrhunderts errichtet und lag beim Anstieg zum Schulberg etwa auf der Höhe des heutigen Stadtpfarrhofs. Reste der Stützpfeiler sind bis auf den heutigen Tag erhalten. Neben dieser Kirche stand auch die älteste, urkundlich 1522 erwähnte Schule von Schäßburg. Um 1350 wurde mit dem Bau der Burganlage begonnen. Ein großer Teil der 930 Meter langen Ringmauer ist erhalten und von den ursprünglich 14 Wehrtürmen stehen heute noch 9. Die Türme waren einzelnen Zünften, die in der Stadtgeschichte eine bedeutende Rolle gespielt haben, zugeordnet. Jede Zunft musste ihren Wehrturm Instandhalten und verteidigen. Der größte und auffälligste Turm – der Stundturm – beherbergte ursprünglich die Ratsstuben des Stadtrats. Die vier Türmchen an den Ecken des Daches dokumentieren das der Stadt zuerkannte Recht auf freie Gerichtsbarkeit. Der Stundturm beherbergt seit 1899 das Stadtmuseum. Von diesem Wahrzeichen Schäßburgs reihen sich in das Mauerwerk der Stadtmauer im Uhrzeigersinn die Zunfttürme der Lederer, Zinngießer, Seiler, Fleischer, Kürschner, Schneider, Schuster und Schmiede rund um den Burgberg ein. Lederer-, Zinngießer- und Seilerturm sowie der Wehrgang im Pfarrhof befinden sich heute im Besitz der Evangelischen Kirchengemeinde von Schäßburg.

Auf der höchsten Erhebung des Burgbergs entstand die Bergkirche. Urkundlich im 14. Jahrhundert erwähnt, war ihr Bau nach mehreren Phasen des Um- und Ausbaus 1483 vollendet. Nach der Reformation kam es zur Auflösung der auf der Burg beheimateten Klöster der Dominikaner und Franziskanerinnen. Die von den Dominikanern hinterlassene Klosterkirche neben dem Stundturm war für die Bewohner weniger beschwerlich zu erreichen und wurde zur Stadtpfarrkirche. Die auf Höhe der heutigen Bergschule an die Ringmauer angebaute Probstei verlor ihre Bedeutung und wurde 1607 mit einem Anbau erweitert, der als Schule genutzt wurde. Bereits 1619 entstand in geringem Abstand auf gleicher Höhe die „Naye Schull“. Das gut erhaltene Gebäude trägt heute die Inschrift „Schola seminarium rei publicae 1619“. 1642 erfolgte der Bau der gedeckten "Schülertreppe". Sie ist ebenfalls gut erhalten und gewährleistet auch heute den Schülern einen wettergeschützten Zugang zur Schule, bei dem 176 Stufen zu überwinden sind. 1792 baute man an der Stelle der ehemaligen Probstei das Gymnasium in einfachem Barockstilund gab ihm 1901 durch bauliche Veränderungen die heutige Form. Die Bergschule beherbergt auch heute die deutsche Schule und trägt den Namen ihres ehemaligen Rektors, des Märchensammlers Joseph Haltrich.

Handwerk, Handel und Gewerbe sowie Landwirtschaft bestimmten das Wirtschaftsleben und begründeten den Wohlstand der Bürger. Wie in vielen sächsischen Gemeinden haben sich gegen Ende des 15. Jahrhunderts auch in Schäßburg Nachbarschaften entwickelt. Sie waren ausschließlich verheirateten Männern vorbehalten, die als Familienoberhaupt ihre eigene Wirtschaft darin vertraten. Die Struktur und Funktion der Nachbarschaften, der Nachbarvater und seine Wahl, sowie die jährlichen Richttage folgten einem strengen Reglement. Eine Nachbarschaft in der Unterstadt (Schaasergasse) wird erstmals 1526 erwähnt. 1906 waren in Schäßburg 20 sächsische und 12 rumänische Nachbarschaften zu verzeichnen. Von den 8 sächsischen Nachbarschaften des Jahres 1989 sind heute noch zwei übrig geblieben.

Das Wohnrecht auf der Burg wurde restriktiv gehandhabt und unterband den Zuzug nichtsächsischer Bevölkerungsgruppen. Als Ende des 16. Jahrhunderts innerhalb der Burg für den Bau weiterer Häuser kein Raum mehr zur Verfügung stand, breitete sich die Unterstadt außerhalb der Ringmauer an der Süd- und Südostseite der Burg um den späteren Marktplatz aus.

Wiederholte Überfälle von feindlichen Heeren, Katastrophen wie Großbrände, Überschwemmungen und Pestepidemien haben die Zunahme der Einwohnerzahl immer wieder stark beeinträchtigt. So starben 1603 mehr als 2.000 Personen an der Pest. 1709 waren es sogar 4.000. Besonders große Opfer haben kriegerische Auseinandersetzungen und die Abhängigkeit von der langjährigen Türkenherrschaft (1428-1687) sowie die Kurutzenkriege (1704) gefordert.
1720 hatte die Stadt 5.579 Einwohner, davon 5.052 Deutsche, 396 Rumänen, 114 Ungarn und 17 Sonstige. Die Industrialisierung löste im 19. Jahrhundert einen verstärkten Zuzug aus und die Stadt wuchs. 1900 stellten die Deutschen mit 5.478 Personen etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung. 1930 waren die Deutschen mit 40,2% immer noch die größte Gruppe, gefolgt von den Rumänen mit 33,5% und den Ungarn mit 22,2%. Danach stieg der Anteil der Rumänen steil an. Die Zahl der deutschen Einwohner blieb über lange Zeit wenig verändert bei etwa 5.200 und nahm erst nach 1977 aufgrund der Auswanderung in die Bundesrepublik Deutschland stark ab. 1992 erreichte die Einwohnerzahl Schäßburgs mit 35.904 ihren Höchstwert, davon waren 73,5% Rumänen, 19,6% Ungarn, 3,8% Deutsche und 3% Roma. Bedingt durch Faktoren, wie Geburtenrückgang, Restrukturierung der Industriebetriebe, Migration nach Westeuropa, sank die Zahl der Einwohner kontinuierlich und erreichte 2011 den Stand von 28.102 Personen.

Das einzigartige historische Zentrum der Stadt und der Bergfriedhof der evangelischen Gemeinde wurde 1999 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.

Dr. Lars Fabritius, Mannheim


 




 

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